"Es war einfach ein grandioses Turnier. Hat total Spaß gemacht und ich hab nun überall Schmerzen."
Thomke, Läuferin/Stab der Awesome Pirates, im Forum nach den 12. Deutschen Meisterschaften in Berlin
Volkspark Friedrichshain, Berlin, im Sommer 2005. Zwei Mannschaften stehen sich
gegenüber. In den Händen halten die einen mannshohe Keulen, die anderen
Wikingerschilde und kurze Knüppel, und zwei schwingen Ketten mit einer
kindskopfgroßen Kugel. Zwischen den Parteien liegt ein Hundeschädel. Ein Schrei,
und die Spieler stürmen aufeinander los, versuchen sich mit den Knüppeln zu
treffen und den Schädel zu greifen. Eine Massenschlägerei? Auswüchse der
Wohlstandsgesellschaft? Ein Bandenkrieg?
Trailer des Films "Blood of Heroes" von 1989
Nichts von alledem. Die jungen Männer und Frauen juggern. "Jugger" ist eine neuartige Sportart, die in den 90er
Jahren auf Basis eines Endzeitfilms (
Beschreibung hier) entstanden ist. Entgegen seinem doch recht ungewöhnlichen Aussehen ist Jugger kein wildes Dreinhauen und schon gar nicht militaristisch, ganz im Gegenteil. Vielmehr erfordert es Teamgeist, Kreativität und Fairplay. Gerade der Fairness kommt durch den einzigartigen "Abschlage"-Charakter des Sports wohl eine noch größere Bedeutung zu als bei mancher klassischen Mannschaftssportart. Nicht zuletzt kommen beim Juggern neben Aspekten der
persönlichen Fitness ebenso wie bei klassischen Mannschaftssportarten wie Basketball insbesondere
strategische Aspekte zum Tragen.
Aus der Urzeit des Jugger: 1. Deutsche Meisterschaft in Berlin, 1998
Zusammengefasst könnte man die Kombination folgender Aspekte als recht einzigartig im Vergleich zu anderen Sportarten herausstellen:
- Mannschaftssport ähnlich dem Rugby oder Football ohne Kontakt, mit hohen Ansprüchen an Strategie, Teamplay und Übersicht verbindet sich mit
- Individaulsport ähnlich dem Kendo oder Sportfechten, bei dem es auf die flinke Handhabung der Pompfen ankommt, auf das Ausnutzen iherer Stärken und Schwächen gegen andere Pompfenarten, letztlich auf das sichere Gewinnen der ständigen Zweikämpfe im laufenden Spiel, wobei aber trotzdem keine Effektivkampftechniken gelernt werden; aber auch die
- Kreativität ist von essentieller Bedeutung: Bei Bau und Gestaltung der eigenen Spielgeräte, der ungewöhnlichen Banner, des Schädels oder Juggs, aber auch der nicht standardisierten, mal sportlich-professioneller, mal postapokalyptisch-szeniger gestalteten Trikots kann man seiner Fantasie ungewöhnlich viel Raum erlauben.
- Fairness und Selbstbeherrschung spielen schließlich im Spiel eine noch größere Rolle als bei den meisten anderen Sportarten, da das Spiel ohne Fairness (Trefferanzeige und -akzeptanz, Auszeitzählen) einfach gar nicht mehr funktioniert und auch ein deftigerer Kopftreffer als Versehen, nicht Absicht erkannt und weggesteckt werden muß.
Ein kleiner, einfacher Einführungsfilm über Jugger in Englisch.
Zudem ist der Sport
ähnlich harmlos wie Fußball (viele halten ihn sogar für weit harmloser). Die Schläger, sogenannte Pompfen, sind weich gepolstert,
die Kette ist aus Plastik und ihre Kugel aus Schaumstoff,
der Hundeschädel ist aus Latex geformt, und die Spieler haben
sichtlich Freude daran.
Auch wenn es den Anschein haben mag, werden beim Jugger wie bereits erwähnt im Gegensatz zum Kampfsport keine Techniken zum effektiven Verletzen anderer gelehrt; dies dürfte man spätestens dann erkennen, wenn man selber einmal an einem Spiel teilgenommen hat. Wer Prügeln lernen will, muß sich eine andere Quelle suchen - damit hat Jugger höchstens so viel gemein wie Florettsportfechten mit einer Messerstecherei.
Wie geht es eigentlich?
Zwei Mannschaften spielen auf einem vierzig Meter langen Spielfeld. Der "Jugg", ein wie ein Hundeschädel geformter Ball,
muß ins "Mal", ein Tor in Form einer
Polsterschale, gesteckt werden. Von den fünf Spielern einer Mannschaft darf nur
einer den Jugg aufnehmen und ins Mal stecken: Der "Qwik" oder Läufer. Während
seine Mitspieler ihn mit Stab, zweihändiger Langpompfe, Q-Tip, einer Kette mit
Schaumstoffball oder Schild und Kurzpompfe schützen, kann er sich nur mit
seiner Wendigkeit wehren: Er trägt keine Pompfe. Wird ein Spieler von einer
Pompfe berührt, kniet er sich 5 "Steine" (8 Sekunden) hin. Schnelle Sprints
kennzeichnen das Spiel.
Die deutsche Jugger-Liga
Die deutsche Jugger-Liga besteht schon seit vielen Jahren. 2010 wurde auf einer Tagung von Vertretern aus neun der führenden deutschen Jugger-Städte eine Neufassung der Ligastatuen beschlossen und das Juggerliga-Gremium gegründet, das ab 2010 den Ligabetrieb im Jugger parallel zum "freien" verwaltet. Turnierteams und Tunrierausrichter der Liga, müssen gemäß den Statuten bestimmten Anforderungen gerecht werden.
Entstehung
Entstanden ist Jugger als Sport parallel in Berlin und über die Dilettanten in Hamburg - die Entstehungsgeschichte habe ich hier als PDF zusammengetragen.
2006 gab es sieben Turniere:
- 13. & 14.05. / Freiburg -- 6 Teams
- 27. & 28.05. / Bad Oldesloe -- 7 Teams
- 17. & 18.06. / Waidhaus -- 6 Teams
- 08. & 09.07. / Hannover -- 8 Teams
- 29. & 30.07. / Saarbrücken -- 3 Teams
- 19. & 20.08. / Hamburg -- 8 Teams
- 09. & 10.09. / Berlin -- 10 Teams
Inzwischen ist die Zahl ebenso wie die der teilnehmenden Städte sprunghaft angewachsen. So gab es allein 2009 18 Turniere in ganz Deutschland, zuzüglich solchen in Spanien und Irland, wie die Anfang 2009 neu gegründete Turnierverwaltung verrät.
Weitere Daten siehe auch im Weblog.
"Jugger" ist der anerkannte und allgemein gebräuchliche Name dieser Sportart. Darüber hinaus ist Jugger® eine für mehrere Klassen eingetragene Warenmarke von Lester Balz, dem Begründer des Jugger e.V. Berlin, und steht in keiner Beziehung zur Firma "JuggerDesign", Romantiteln oder Charakteren aus fiktiven Handlungen oder Spielen, ausgenommen natürlich des Films "Blood of Heroes" resp. "Salute of the Jugger".